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2/2020

Newsletter Öffentliches Beschaffungswesen 2/2020 vom Dezember 2020

Das neue Beschaffungsrecht geht an den Grossen Rat

Der Kanton Bern beabsichtigt, der neuen Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB 2019) beizutreten. Im Vernehmlassungsverfahren wurde das neue öffentliche Beschaffungsrecht allseits begrüsst. Der Regierungsrat hat nun das Gesetz über den Beitritt zur Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöBG) an den Grossen Rat überwiesen. 

Das Gesetz, das im Vernehmlassungsverfahren noch den Titel «Einführungsgesetz» (EG IVöB) trug, und mit ihm der Beitritt des Kantons Bern zur IVöB 2019 fanden in der Vernehmlassung grundsätzlich ungeteilte Zustimmung. Viele Teilnehmende hoben die Vorteile des neuen öffentlichen Beschaffungsrechts hervor. Zwei Anliegen wurden am häufigsten vorgebracht: Mehrere Teilnehmende verlangten die Einführung einer «Preisniveauklausel», um inländische Angebote zu bevorzugen, was andere Teilnehmende ablehnten. Zudem wünschten Gemeinden und Justizbehörden die Beibehaltung des bisherigen zweistufigen Instanzenzugs für Beschwerden gegen Beschaffungsentscheide. Der Regierungsrat verzichtete darauf, das IVöBG in diesen Punkten anzupassen, unter anderem weil diese Anliegen der IVöB 2019 widersprechen würden.

Der Grosse Rat wird sich im März 2021 mit der Vorlage befassen. Noch vorher ist ein Vernehmlassungsverfahren zu den geplanten kantonalen Ausführungsbestimmungen zum neuen öffentlichen Beschaffungsrecht (Einführungsverordnung) vorgesehen. Das Inkrafttreten des neuen Rechts ist weiterhin im Herbst 2021 geplant.

Weitere Informationen und Unterlagen zum neuen öffentlichen Beschaffungsrecht finden sich auf der Webseite dazu.

Vom alten zum neuen Beschaffungsrecht: Teil 3 (Ablauf des Vergabeverfahrens)

In diesem dritten Teil einer Serie von Beiträgen vermitteln wir einen sehr kurzen Überblick über die wichtigsten Unterschiede zwischen dem bisherigen öffentlichen Beschaffungsrecht im Kanton Bern und der neuen IVöB 2019. Noch nicht berücksichtigt sind hier die Änderungen, die sich aus den Ausführungsbestimmungen ergeben, die der Kanton Bern zur IVöB 2019 erlassen wird.

Eine Übersicht der Neuerungen findet sich auch in folgendem Beitrag für das Finanzbulletin der Kantonalen Planungsgruppe Bern: Das neue öffentliche Beschaffungsrecht im Kanton Bern: Eine erste Übersicht

Kapitel 6. Ablauf des Vergabeverfahrens

Die Ausschreibung und die Ausschreibungsunterlagen müssen einige zusätzliche Angaben enthalten (Art. 35f. IVöB 2019):

  • In den Ausschreibungstext auf simap.ch gehören neu auch CPV‐ und ggf. CPC-Klassifikation; allfällige Optionen und Lose; Einschränkungen von Bietergemeinschaften, Subunternehmern und Varianten; Hinweise auf besondere Methoden (Dialog, Auktion, Zwei-Couvert-Methode); besondere Formerfordernisse; Angebotssprache; Eignungsnachweise; Anzahl der zugelassenen Anbieter im selektiven Verfahren; Gültigkeitsdauer der Angebote; Betroffenheit des Staatsvertragsbereichs; gegebenenfalls zum Verfahren zugelassene, vorbefasste Anbieter; und bei wiederkehrend benötigten Leistungen wenn möglich eine Angabe des Zeitpunktes der nachfolgenden Ausschreibung.
  • In die Ausschreibungsunterlagen gehören neu auch technische Spezifikationen und Konformitätsbescheinigungen; die Gewichtung der Kriterien; einzureichende Unterlagen; ggf. Angaben zur elektronischen Einreichung oder elektronischen Auktion; die Währung des Angebots sowie die Termine.

Der Auftraggeber kann neu vorschreiben, dass Leistung und Preis in zwei separaten Couverts (oder wohl auch elektronischen Eingaben) anzubieten sind («Zwei-Couvert-Methode»). Diesfalls wird zuerst das Leistungscouvert geöffnet und bewertet, und erst dann das Preiscouvert geöffnet und bewertet (Art. 38 IVöB 2019). Dies soll im Interesse des Qualitätswettbewerbs verhindern, dass der Auftraggeber sich bei der Qualitätsbewertung bewusst oder unbewusst auch vom Preis leiten lässt.

Das bisher geltende Verhandlungsverbot bzw. der Grundsatz der Unveränderlichkeit der Angebote wird durch die in der Praxis teils bereits genutzte Möglichkeit der Angebotsbereinigung (Art. 39 IVöB 2019) relativiert. Eine solche Bereinigung und eine Anpassung der Angebote nach der Öffnung sind möglich, wenn dies zur Vergleichbarmachung oder wegen Leistungsänderungen nötig ist. Reine Preisverhandlungen («Abgebotsrunden») bleiben aber verboten (Art. 11 Bst. d IVöB 2019).

Wenn die Bewertung sehr aufwändig ist (z.B. wegen Tests oder Pilotversuchen) kann der Auftraggeber die Detailbewertung auf die drei Angebote einschränken, die anhand der Unterlagen als die besten erscheinen (Art. 40 IVöB 2019).

Der Zuschlag ist dem «vorteilhaftesten» statt wie bisher dem «wirtschaftlich günstigsten» Angebot zu erteilen (Art. 41 IVöB 2019). Eine praktische Auswirkung hat diese dem GPA entnommene neue Wortwahl aber nicht: Das vorteilhafteste Angebot ist dasselbe wie das wirtschaftlich günstigste, nämlich das Angebot mit den meisten Bewertungspunkten für den Preis und die Qualität, und damit mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis (Musterbotschaft S. 80 f.).

Ein Verfahrensabbruch (Art. 43 IVöB 2019) ist neu ausdrücklich auch zulässig, wenn die eingereichten Angebote nicht finanzierbar sind oder wenn der Auftraggeber das beabsichtigte Vorhaben nicht mehr verwirklichen will.

Ein Ausschluss vom Verfahren und ein Widerruf des Zuschlags (Art. 44 IVöB 2019) ist aus mehr Gründen als bisher zulässig, etwa:

  • bei Korruption oder unlauterem Wettbewerb,
  • wenn Anbieter frühere öffentliche Aufträge mangelhaft erfüllt haben oder in anderer Weise erkennen liessen, keine verlässlichen und vertrauenswürdigen Vertragspartner zu sein. Der Auftraggeber kann dies auch auf eigene Erfahrungen stützen (Musterbotschaft S. 84).

In vielen Fällen genügen schon hinreichende Anhaltspunkte für einen Ausschluss, etwa bei

  • Verstössen gegen das Wettbewerbs- und Umweltrecht und die Gesetzgebung gegen Schwarzarbeit,
  • Missachtung der Vertraulichkeit, der Arbeitsschutzbestimmungen, der Arbeitsbedingungen oder der Lohngleichheit von Frau und Mann,
  • ungewöhnlich niedrigen Angeboten, deren vertragskonforme Umsetzung nicht garantiert werden kann, oder
  • Verstössen der Anbieter gegen Berufsregeln oder bei Handlungen oder Unterlassungen, die ihre berufliche Ehre oder Integrität beeinträchtigen.

Dies stärkt die Möglichkeiten der Auftraggeber, «schwarze Schafe» unter den Anbietern nicht mehr berücksichtigen zu müssen, deutlich, und fördert so den fairen Wettbewerb (Art. 1 IVöB 2019).

Anbieter oder neu auch Subunternehmer, die in schwerwiegender Weise gegen Vorschriften verstossen, können nicht nur für bis zu fünf Jahren von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden, sondern neu auch mit einer Busse von bis zu 10% der Auftragssumme bestraft werden. Sanktionierte Unternehmen werden neu in einer zentralen Liste der BPUK geführt (Art. 45 IVöB 2019).

Ab 2021 gilt das neue WTO-Beschaffungsübereinkommen

Die Schweiz ist dem revidierten WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen  (Government Procurement Agreement, GPA) mit Wirkung am 1. Januar 2021 beigetreten. Darüber informiert eine Medienmitteilung des Bundesrates näher.

Wie oben erwähnt, wird die revidierte IVöB, die das neue GPA im Landesrecht umsetzt, im Kanton Bern erst später in Kraft treten. Auftraggeberinnen und Auftraggeber, die ab 2021 öffentliche Aufträge im Staatsvertragsbereich vergeben, müssen daher bis dann die Änderungen im neuen GPA berücksichtigen. Die interkantonale Fachkonferenz öffentliches Beschaffungswesen (FöB) hat diese Änderungen zusammengestellt:

Änderungen auf simap.ch ab 22. Dezember 2020

Ab 22. Dezember 2020 steht eine neue Version (Release 17 bzw. 2/2020) der Publikationsplattform simap.ch zur Verfügung. Sie trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass für die Bundesverwaltung ab 1. Januar 2021 das neue öffentliche Beschaffungsrecht gilt, für die Kantone bis zum individuellen Beitritt zur IVöB 2019 aber noch das alte Recht. simap.ch muss daher bis auf weiteres beide Gesetzgebungen unterstützen. Daher wurden mehrere Formulare angepasst.

Die Änderungen werden in Ziff. 6 des Dokuments «Änderungen in den Formularen von simap» beschrieben. Für Publikationen nach dem noch geltenden Berner Recht ist bei der Nutzung der angepassten Formulare namentlich Folgendes zu beachten:

  • Die Zusammenfassung in der anderen Amtssprache wird nicht mehr automatisch erstellt, sondern muss beim Schritt «Meldung publizieren» oder auch später im Projektmanager erstellt werden. Im alten wie im neuen Berner Recht müssen Ausschreibungen in der einen Amtssprache in der anderen zusammengefasst werden.
  • In Ziff. 3.13 der Ausschreibung kann neu die Durchführung eines Dialogs ausgeschrieben werden. Diese Methode ist im noch geltenden Berner Recht noch nicht vorgesehen.
  • In Ziff. 4.5 der Ausschreibung können neu «zum Verfahren zugelassene, vorbefasste Anbieterinnen» genannt werden. Dies sind Unternehmen, die zwar einen Informationsvorsprung haben (z.B. weil sie an der Vorbereitung der Ausschreibung mitwirkten), aber (wie im neuen Recht möglich) dennoch zugelassen werden, weil ihr Informationsvorsprung mit geeigneten Massnahmen ausgeglichen wurde (z.B. durch die Veröffentlichung der entsprechenden Unterlagen) oder weil ein Wettbewerb sonst nicht möglich wäre. Das noch geltende Berner Recht regelt diese Frage nicht.
  • Bei Abbrüchen können zwei neue Abbruchgründe bezeichnet werden, nämlich die Unwirtschaftlichkeit der eingereichten Angebote oder Anhaltspunkte für Wettbewerbsabreden. Obwohl das noch geltende Berner Recht diese Gründe noch nicht ausdrücklich vorsieht, können sie dennoch angegeben werden, da sie «wichtige Gründe» im Sinne der bisherigen Gesetzgebung sind.
  • Bei Zuschlägen erlaubt eine neue Option, dass auf die Publikation des Preises verzichtet wird, wenn dies «berechtigte wirtschaftliche Interessen der Anbieter», d.h. ihre Geschäftsgeheimnisse, beeinträchtigen würde. Diese Ausnahme ist im noch geltenden Berner Recht nicht vorgesehen und wird auch im neuen Recht nur in seltenen Ausnahmefällen auf den Preis Anwendung finden. Eine weitere neue Option, die die Angabe der Preisspanne der Angebote erlaubt, ist nur im neuen Bundesrecht vorgesehen, nicht aber im bisherigen oder neuen kantonalen Recht. Unverändert bleibt, dass der zu publizierende Preis immer der Gesamtpreis des Auftrags während der Vertragslaufzeit ist, also nicht etwa ein Einheitspreis.

Bitte beachten Sie, dass wegen dieser Softwareanpassung die Publikation auf simap.ch zwischen 21. Dezember 2020 und 1. Januar 2021 mit Einschränkungen verbunden ist. Planen Sie Ihre Publikationen bitte entsprechend. Nähere Angaben dazu finden Sie auf simap.ch.

Entscheide von Justizbehörden

Gerne können Sie uns über die Adresse beschaffungen@be.ch nicht öffentlich publizierte Entscheide von allgemeinem Interesse mitteilen. Bitte beachten Sie, dass die Entscheide nicht immer rechtskräftig sind, und dass Entscheide von Behörden anderer Kantone oder des Auslands für öffentliche Beschaffungen im Kanton Bern nicht zwingend massgeblich sind.

Die Gliederung der folgenden Entscheide folgt derjenigen der Rechtsprechungsübersichten in «Baurecht / Droit de construction».

Geltungsbereich

Objektiver Geltungsbereich: BGer 2C_697/2019. vom 21.08.2020: Die Zulassung zur Ausübung der Luftrettung im Kanton Wallis untersteht nicht dem öffentlichen Beschaffungsrecht, weil der Kanton dafür keine Entschädigung leistet.

Vergabeverfahren

Freihändige überschwellige Vergabe: KGer GE ATA/761/2020. vom 18.08.2020: Die freihändige Vergabe der Beschaffung einer Videoüberwachungsanlage lässt sich nicht mit der Kompatibilität zu bereits vorhandenen Systemen desselben Herstellers begründen, wenn die Bedarfsstelle bereits unterschiedliche Systeme einsetzt.

Auftragswert: VGer ZH VB.2019.00826 vom 14.05.2020: Die Verfahrensart ist anhand der oberen Bandbreite der Schätzung des Auftragswerts auszuwählen.

Eignung

Technische Spezifikationen: VGer ZH VB.2020.00148 vom 25.06.2020: Bei der Beschaffung einer Kursverwaltungssoftware ist die Anforderung der Echtzeitspiegelung von Daten im Rahmen des weiten Ermessens der Vergabestelle zulässig, womit offenbleiben kann, ob sie tatsächlich erforderlich ist.

Zuschlagskriterien

Lehrlingsausbildung: KGer BL 810 19 185 vom 20.11.2019: Das Zuschlagskriterium «Lehrlinge» ist höchstens mit einem Gewicht von 10% zulässig, und nur mit ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage.

Evaluation: KGer BL 810 19 25 vom 29.04.2020: Wird eine «Live-Demonstration» einer Software verlangt, genügen Videoaufzeichnungen nicht. Zudem ist es zulässig, die Einhaltung eines Zeitplans nicht bloss anhand von Zusicherungen zu beurteilen, sondern auch aufgrund von objektiven Faktoren wie der Personalverfügbarkeit.

Preisgewichtung: KGer BL 810 19 25 vom 29.04.2020: Eine Gewichtung des Preises mit nur 25% ist zu tief für ein Softwareprojekt mit Entwicklungsleistungen.

Ausschluss vom Verfahren

Ausschlussgründe: BGer 2D_64/2019 vom 17.06.2020: Wird für ein forstwirtschaftliches Fahrzeug ein Motor der Abgasstufe IV statt wie verlangt einer der Stufe V angeboten, ist dies keine geringfügige Abweichung und der Ausschluss des Angebots ist gerechtfertigt.

Unterangebote: BGer 2C_838/2019  vom 17.09.2020: Nicht kostendeckende Angebote sind zulässig. Aber wenn sie auf Rückfrage hin nicht nachvollziehbar erklärt werden, rechtfertigt dies den Ausschluss.

Ausschluss von künftigen Verfahren: VGer ZH VB.2019.00745 vom 16.01.2020: Vor dem Ausschluss vom laufenden Verfahren muss der betroffene Anbieter nicht immer angehört werden, wohl aber vor dem Ausschluss von künftigen Verfahren.

Ausschluss wegen Formfehlern: VGer ZH VB.2019.00485 vom 27.02.2020: Als Grund für einen Ausschluss genügt, wenn zwei Dokumente nicht wie verlangt ausgedruckt vorliegen, digitale Dokumente nicht wie verlangt im PDF-Format eingereicht werden und eine verlangte Unterschrift fehlt.

Abbruch des Verfahrens

Abbruchgründe: VGer GR U 20 23 vom 24.08.2020: Ein genügender Grund für einen Abbruch liegt vor, wenn eine Gemeinde die ausgeschriebene Kreiselsanierung verschiebt, um neu aufgetauchte planerische und verkehrstechnische Fragen zu prüfen.

Beschwerdeverfahren

Akteneinsicht: BVGer B-1606/2020 vom 07.10.2020: Die Korrespondenz zwischen der Vergabestelle und einem Anbieter im Rahmen der Offertbereinigung ist nicht Teil des Angebots und daher nicht von der Akteneinsicht ausgenommen.

Auswirkung des Beschwerdeentscheids auf Drittangebote: BGer 2C_979/2018  vom 22.01.2020: Obsiegt der drittplatzierte Anbieter mit der Beschwerde gegen einen Zuschlag, und hat sich der Zweitplatzierte nicht am Verfahren beteiligt, ist der Zuschlag nicht direkt an den Beschwerdeführer zu erteilen, sondern der Zuschlag ist unter Berücksichtigung aller Angebote neu zu vergeben. Dies hat durch die Vergabestelle zu erfolgen, wenn ihr dafür ein erheblicher Ermessensspielraum verbleibt.

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