Neues Beschaffungsrecht

Die Frage nach dem anwendbaren Recht entscheidet sich mit der Einleitung des Verfahrens. Vergabeverfahren, die vor Inkrafttreten der IVöB eingeleitet wurden, werden auch nach bisherigem Recht zu Ende geführt. 

Die Bestimmung in Art. 64 Abs. 1 IVöB entspricht dem bisherigen Art. 22 Abs. 1 IVöB 2001. Demnach gilt das neue Recht für Aufträge, die nach Inkrafttreten der Vereinbarung ausgeschrieben oder vergeben wurden. Ein Verfahren gilt als eingeleitet, sobald das Beschaffungsvorhaben öffentlich wird: im offenen oder selektiven Verfahren mit der Publikation auf simap.ch, im Einladungsverfahren mit der Einladung zur Angebotsabgabe. Das freihändige Verfahren ist eingeleitet und gleichzeitig abgeschlossen, wenn der Zuschlag publiziert oder der Vertrag abgeschlossen ist, sofern keine Publikation erfolgen muss.

Eine vergabefreie Beschaffung bei Behinderteninstitutionen ist nach Art. 10 IVöB 2019 möglich, selbst wenn die Behinderteninstitutionen auch im Bereich der Arbeitsintegration tätig sind. Jedoch gilt dies nur dann, wenn die fraglichen Leistungen durch Menschen mit Behinderungen erbracht werden, denn die Förderung ihrer Beschäftigung ist der Grund dieses Privilegs. Zudem ist erforderlich, dass die Organisation nicht kommerziell arbeitet und der Grund der Beschaffung in der Absicht liegt, die Organisation zu fördern, und nicht darin, eine möglichst günstige Leistung zu beziehen. Vgl. Felix Tuchschmid in H.R. Trüeb (Hrsg.), Handkommentar zum Schweizerischen Beschaffungsrecht, Art. 10 N 16, m.Hw.

Bei Anbietern mit 100 und mehr Mitarbeitenden ist dem Angebot eine Lohngleichheitsanalyse gemäss Art. 13a des Bundesgesetzes über die Gleichstellung von Frau und Mann (GlG) beizulegen. Das Ergebnis der Lohngleichheitsanalyse darf nicht ergeben, dass die Toleranzschwelle der unerklärten Lohndifferenz überschritten ist. Zeigt die Analyse ein rotes Ergebnis an, ist die Toleranzschwelle überschritten und in diesem Fall sind die Teilnahmevoraussetzungen für das Beschaffungsverfahren nicht erfüllt. Wenn die Unternehmung eine Gesellschaftsform nach dem Obligationenrecht hat (AG, GmbH, Genossenschaft, Kollektivgesellschaft, Kommanditgesellschaft), muss auch der Bericht über die Überprüfung der Lohngleichheitsanalyse gemäss Art. 13d GlG beigelegt werden. Der Bericht muss dabei die Anforderungen von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung über die Überprüfung der Lohngleichheitsanalyse erfüllen. Statt der Lohngleichheitsanalyse und dem Bericht kann auch alternativ eine Kontrollbestätigung einer staatlichen Stelle gemäss Art. 13b GlG dem Angebot beigelegt werden, wobei der Referenzmonat der Kontrolle nicht länger als vier Jahre zurückliegen darf. Anbieter mit weniger als 100 Mitarbeitenden bestätigen die Gewährleistung der Lohngleichheit zwischen Frau und Mann mittels dem Selbstdeklarationsformular.

Massgeblich ist die Anzahl Mitarbeitenden der gesamten Gesellschaft und nicht der einzelnen Zweigniederlassung.