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1/2021

Newsletter Öffentliches Beschaffungswesen 1/2021 vom März 2021

Der Grossen Rat stimmt dem neuen öffentlichen Beschaffungsrecht in erster Lesung zu

Am 16. März 2021 hat der Grosse Rat des Kantons Bern dem Beitrittsgesetz (IVöBG) zur revidierten Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB 2019) mit 154 Stimmen gegen eine in der ersten Lesung zugestimmt. Die IVöB 2019 modernisiert das öffentliche Beschaffungsrecht der Kantone und harmonisiert es mit demjenigen des Bundes. 

Mit 79 zu 74 Stimmen beschloss der Grosse Rat aber, im Gesetz einen Vorbehalt zur IVöB 2019 anzubringen, damit der Kanton Bern am heutigen zweistufigen Beschwerdeverfahren festhält. Danach müssen Beschaffungsentscheide in erster Instanz bei der zuständigen Direktion bzw. beim Regierungsstatthalteramt angefochten werden. Gemäss der IVöB 2019 würde neu das Verwaltungsgericht alle beschaffungsrechtlichen Beschwerden als einzige kantonale Instanz beurteilen. Der Regierungsrat hatte den Vorbehalt gegen diese Neuregelung abgelehnt. Aus seiner Sicht ist er mit der IVöB 2019 nicht vereinbar und verhindert daher den Beitritt des Kantons Bern zu dieser, wie auch ein Rechtsgutachten. (PDF, 345 KB, 18 Seiten) zeigt. 

Zudem beschloss der Grosse Rat, zu dem Gesetz eine zweite Lesung durchzuführen, um Fragen im Zusammenhang mit den Ausführungsbestimmungen zu beraten. Die zweite Lesung findet entweder im Sommer oder Herbst 2021 statt. Das neue Recht tritt damit voraussichtlich erst im 1. Quartal 2022 in Kraft.

Die Einzelheiten der Beratungen sind auf der Webseite des Grossen Rates verfügbar.

Noch bis zum 13. April 2021 läuft das öffentliche Vernehmlassungsverfahren zur Einführungsverordnung zur Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (EV IVöB). Sie enthält die kantonalen Ausführungsbestimmungen zur IVöB 2019 und zum IVöBG.

Die EV IVöB sieht Massnahmen gegen Interessenkonflikte, unzulässige Wettbewerbsabreden und Korruption vor. Sie regelt Einzelheiten des Beschaffungsverfahrens ebenso wie die Ausbildung von Personen, die regelmässig Ausschreibungen durchführen. Die Bestimmungen über die Sprache des Verfahrens und des Angebots entsprechen grundsätzlich dem heutigen Recht. Beschaffungen der Kantonsverwaltung sollen zudem neu die Nachhaltigkeit der beschafften Leistungen berücksichtigen.

Die Einführung des neuen öffentlichen Beschaffungsrechts wird vorbereitet

Im Frühling und Sommer 2021 erarbeitet die Zentrale Koordinationsstelle Beschaffung (ZKB) des Kantons Bern zusammen mit Beschaffungsfachleuten aus der Kantonsverwaltung und den Gemeinden die Massnahmen zur Einführung des neuen öffentlichen Beschaffungsrechts im Kanton Bern. Zurzeit ist Folgendes geplant:

  • Dieser Newsletter hält alle an öffentlichen Beschaffungen Interessierten über den Stand der Gesetzgebung und über die Einführungsmassnahmen auf dem Laufenden.
  • Digitale Informations- und Weiterbildungsangebote informieren die Auftraggeber und Auftragnehmer im Kanton Bern über die Neuerungen und befähigen sie, das neue Recht anzuwenden.
  • Die unter www.be.ch/beschaffungen veröffentlichten Vorlagen und Hilfsmittel sowie die Webseite selbst werden dem neuen Recht und dem neuen Erscheinungsbild des Kantons Bern angepasst.

Vom alten zum neuen Beschaffungsrecht: Teil 4 (Fristen, Veröffentlichungen, Rechtsschutz)

In diesem vierten Teil einer Serie von Beiträgen vermitteln wir einen sehr kurzen Überblick über die wichtigsten Unterschiede zwischen dem bisherigen öffentlichen Beschaffungsrecht im Kanton Bern und der neuen IVöB 2019. Noch nicht berücksichtigt sind hier die Änderungen, die sich aus den Ausführungsbestimmungen ergeben, die der Kanton Bern zur IVöB 2019 erlassen wird.

Kapitel 7. Fristen und Veröffentlichungen, Statistik

Die Mindestangebotsfrist von 40 Tagen im Staatsvertragsbereich kann neu deutlich verkürzt werden, wenn die Ausschreibung und ihre Unterlagen elektronisch veröffentlicht werden (was der Normalfall sein sollte), wenn elektronische Angebote entgegengenommen werden und wenn die Ausschreibung vorher angekündigt wurde. Beim elektronischen Einkauf gewerblicher Waren und Dienstleistungen kann die Frist auf bis zu 10 Tage verkürzt werden (Art. 47 IVöB 2019). So lassen sich Beschaffungsverfahren beschleunigen, was aber auch höhere Ansprüche an die Flexibilität und Verfügbarkeit der Anbieter stellt.

Ausschreibungsunterlagen müssen grundsätzlich elektronisch auf simap.ch zur Verfügung gestellt werden, und zwar stets kostenlos (Art. 48 Abs. 2 IVöB 2019).

Die Sprache der Ausschreibung und des Angebots wird von der IVöB 2019 nur oberflächlich geregelt (Art. 48 Abs. 4 und 5). Dies wird in den Ausführungsbestimmungen zu konkretisieren sein, voraussichtlich analog zur heutigen Regelung (Art. 8 f. ÖBV).

Kapitel 8. Rechtsschutz

Verfügungen (auch Zuschläge) müssen neu summarisch begründet werden, d.h. mit relativ wenigen Angaben, die es jedoch erlauben müssen, den Entscheid in den Grundzügen nachzuvollziehen (Musterbotschaft S. 94). Sie können wie bisher individuell per Post eröffnet werden, oder im Rahmen der Publikation des Zuschlags auf simap.ch (Art. 51 IVöB 2019).

Die Auftraggeber werden aber weiterhin ein Interesse daran haben, den unterlegenen Anbietern auf Wunsch schon während der Beschwerdefrist individuell weitere Erläuterungen anzubieten («Debriefing»). Sonst müssten die Anbieter nämlich Beschwerde führen, um Akteneinsicht und damit weitere Informationen zu den Entscheidgründen zu erhalten (Art. 51 Abs. 1, Art. 57 IVöB 2019).

Die Beschwerdefrist beträgt neu 20 statt 10 Tage (Art. 56 IVöB 2019).

Die IVöB 2019 regelt, dass neu das Verwaltungsgericht als einzige kantonale Beschwerdeinstanz für alle beschaffungsrechtlichen Verfügungen zuständig sein soll (Art. 52 IVöB 2019). Gemäss dem Entscheid des Grossen Rates vom 16. März 2021 (s. oben) soll der Kanton Bern diese Neuerung allerdings nicht übernehmen.

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